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Vor einem Jahr informierten wir Sie erstmals über Decidim.Austria. Nun, 12 Monate später, schließen wir das von netidee geförderte Projekt ab. Unser Ziel die international bewährte Beteiligungsplattform Decidim in Österreich zu verankern und weiterzuentwickeln, haben wir erreicht. Damit kann E-Partizipation in der Politikentwicklung mithilfe von Decidim einfach und transparent umgesetzt werden. Sowohl Institutionen der öffentlichen Hand als auch NGOs u.a. in Österreich und international können die Ergebnisse nutzen. In den nächsten Monaten wird Decidim erstmals bei der Novellierung des Freiwilligengesetzes zum Einsatz kommen.

In zahlreichen nationalen und internationalen Stakeholder-Gesprächen haben wir einerseits über Decidim informiert, andererseits Bedarfe über die Nutzung von Online-Beteiligungstools abgefragt. Diese Gespräche bildeten die Grundlage für die Weiterentwicklung der Plattform. Romy Grasgruber-Kerl (Projektleitung), Alexander Rusa (Solutions Architect und Software Developer), Daniel Lechthaler (Communication Interaction Designer) und Michael Rusa (Webdeveloper) konnten so die Nutzer:innenfreundlichkeit der Anwendung in der partizipativen Textarbeit deutlich verbessern.

Neben dem Software-Development haben wir gemeinsam mit urban equipe aus Zürich Manuals für Teilnehmer:innen und Administrator:innen von Beteiligungsprozessen erstellt, außerdem Musterseiten und einen ersten IGO-Beteiligungsprozess zur Veranschaulichung der Plattform umgesetzt. Auf einer eigens zu Decidim.Austria eingerichteten Website: decidim-austria.org können Sie sich über die Plattform, ihre bisherigen Einsatzgebiete und Funktionen informieren.

Projektinitiatorin Romy Grasgruber-Kerl wird die Aktivitäten in Zukunft im Rahmen des mitgestalten Partizipationsbüro weiterführen. Die gesammelten Projektergebnisse samt Abschlussbericht finden Sie in Kürze auf dem netidee Projektblog.

Das Programm „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ (Citizens, Equality, Rights and Values – kurz CERV) setzt sich den Schutz und die Förderung der Rechte und Werte der Europäischen Union zum Ziel. Dafür steht in der Förderperiode 2021 bis 2027 ein Gesamtbudget von 1,55 Milliarden Euro zur Verfügung, das sich auf 4 Programmbereiche verteilt:

  • Werte der Union
  • Gleichstellung, Rechte und Gleichstellung der Geschlechter
  • Bürgerbeteiligung und Teilhabe
  • Daphne (Aktionsbereich zur Bekämpfung von Gewalt)

Neu ist eine deutliche Schwerpunktsetzung auf die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Derzeit sind einige Aufrufe zur Einreichung von Projektanträgen („Calls“) offen bzw. in der Phase der Ankündigung. Nähere Informationen sind auf dem Funding and Tender Opportunities Portal (FTOP) der Europäischen Kommission oder auf der Website der Nationalen Kontaktstelle im Bundeskanzleramt, Abteilung IV/3 – Finanzen, EU-Haushalt und Landwirtschaft zu finden (von der auch die Informationen auf dieser Seite stammen).

Bei zwei Online-Veranstaltungen am 16. und 17. Dezember 2021 wird über das CERV-Programm sowie über die derzeit offenen bzw. anstehenden Calls informiert. Auch soll künftigen Antragstellerinnen und Antragstellern damit ein Rahmen geboten werden, Projektideen auszutauschen und Kooperationspartner zu finden. Die Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt.

Wenn Sie und Ihre Organisation die in der gemeinnützigen Arbeit gewonnene Expertise und Erfahrung auch auf politischer Ebene einbringen, kann folgende Neuerung interessant für Sie sein:  Seit 1.8.2021 können BürgerInnen zu allen Gesetzentwürfen und nicht mehr nur zu Ministerialentwürfen der Regierung Stellungnahmen abgeben. Damit sind auch Gesetzesanträge von Abgeordneten, Ausschussanträge und fertige Regierungsvorlagen für eine Begutachtung offen. Gleiches gilt für Initiativen des Bundesrats, Volksbegehren, Petitionen und Bürgerinitiativen.

Die Abgabe von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen ist nun solange möglich, bis das parlamentarische Verfahren zur Gänze abgeschlossen ist und das Gesetzesvorhaben entweder den Bundesrat passiert hat oder in anderer Art und Weise erledigt wurde. Alle einlangenden Stellungnahmen werden, wie schon jetzt bei Ministerialentwürfen, veröffentlicht – bei Privatpersonen allerdings nur mit deren Einwilligung. Zudem bestehe keine Pflicht, Stellungnahmen zu veröffentlichen, wenn diese gegen straf- oder urheberrechtliche Bestimmungen verstoßen oder mit anderen Rechtsvorschriften kollidieren, wie in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten wird.

Einen Überblick über die Möglichkeiten sich am Begutachtungsverfahren zu beteiligen, finden Sie auf der Website des Parlaments.

Anlässlich der Neuerungen haben Katharina Klement (Leiterin der Abteilung Präsidialangelegenheiten) und Theresia Bauer (Nationalratskanzlei/Koordination Begutachtungsverfahren) die Hintergründe und Möglichkeiten der Teilnahme an Begutachtungsverfahren im Podcast „Parlament erklärt“ erläutert.

Decidim ist die aktuell dynamischste digitale Plattform für demokratische Mitbestimmung. Wir bringen sie mit Hilfe von netidee-Förderungen 2021 nach Österreich und entwickeln sie österreichischen Bedarfen entsprechend weiter. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen können mitmachen. Bauen wir gemeinsam die Partizipationsplattform von morgen!

Denn Zivilgesellschaft ist ein wesentlicher Motor, wenn es um die Weiterentwicklung von Demokratie und Politikgestaltung geht. Daher setzt sich die IGO seit einigen Jahren verstärkt für sinnvolle Mitwirkungsmöglichkeiten der Öffentlichkeit bei Politikentwicklung und Entscheidungsfindung ein. Insbesondere in unserem GovLabAustria-Projekt zu Transparenz und Partizipation in der Rechtsetzung wurde klar, wie wichtig gute Plattformen für gelingende Prozesse sind. Dabei sind wir auf Decidim gestoßen.

Mit innovativen Prozessen und Technologien wie Decidim kann die Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung und Bevölkerung noch besser gelingen. Die Plattform ist Open Source, kostengünstig und von Ideensammlung über Konsultation bis zur Entscheidungsfindung ist alles möglich.

Mehr zum Projekt erfährst Du auf unserer Projektseite und im Video.

Videogestaltung: Bild: decidim.org / Übersetzung: IGO / Sprecherin: Daniela Zeller

Das globale Netzwerk CIVICUS stellt Österreich für seinen Umgang mit den Grund- und Freiheitsrechten und der Zivilgesellschaft wieder ein gutes Zeugnis aus.

Vor zwei Jahren bewertete die internationale Nicht-Regierungsorganisation CIVICUS die Handlungsspielräume für die Zivilgesellschaft in Österreich nur noch als „eingeengt“. Seit heute gilt Österreich wegen Verbesserungen in den letzten Monaten wieder als “offen”. Nur drei Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern mit vergleichbar guten Bedingungen.

CIVICUS, ein globales Netzwerk von mehr als 4000 Mitgliedern aus über 175 Ländern, dokumentiert mit seinem CIVICUS Monitor weltweit die Gefahren für die Entwicklung der Zivilgesellschaft. Je nach erreichter Punktezahl auf einem Index von 0 – 100 gilt ein Land als offen, eingeengt, beschränkt, unterdrückt oder geschlossen. Österreich ist jetzt wieder “offen” und befindet sich damit in Gesellschaft von Deutschland, der Schweiz, den Benelux-Staaten und Skandinavien. Nur drei Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern mit vergleichbaren Bedingungen, wo ihre Bürgerinnen und Bürger Vereine gründen, an öffentlichen Orten friedlich demonstrieren und frei ihre Meinung äußern können.

CIVICUS verweist in seiner heutigen Aussendung auf den positiven Wandel, den die Wahlen 2019 gebracht haben und als deren Ergebnis in der Koalition mit der ÖVP die FPÖ durch die Grünen ersetzt wurde. Diese seien offener für einen Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, welche sich dadurch wieder mehr Gehör verschaffen können. Viele ihrer Forderungen würden mittlerweile im Regierungsprogramm berücksichtigt. Auch der wegen der COVID-19 Pandemie beschlossene 700 Millionen Euro Unterstützungsfonds für Nonprofit Organisationen (NPOs) wird von CIVICUS als Beleg für eine positive Entwicklung in Österreich angeführt.

„Die Einbindung der Zivilgesellschaft in verschiedene Konsultationsprozesse, auch während der COVID-19 Pandemie, durch die österreichische Regierung ist vorbildlich. Diesem Beispiel sollten andere Staaten in der Region folgen” stellt Aarti Narsee, bei CIVICUS für Europa zuständig, Österreich mittlerweile ein gutes Zeugnis aus. In einem Atemzug appelliert sie aber auch aus aktuellem Anlass an die ÖVP dringend von ihrer Anti-Migrations-Rhetorik Abstand zu nehmen.

Franz Neunteufl, Geschäftsführer der IGO – Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen und Sprecher des BÜNDNIS FÜR GEMEINNÜTZIGKEIT bestätigt: „Die Beteiligung unserer Kolleginnen und Kollegen an der Ausarbeitung der Hilfsmaßnahmen zur Überwindung der Coronakrise ist tatsächlich ein gutes Beispiel für weitere Vorhaben im Regierungsprogramm zur Förderung der Gemeinnützigkeit und des freiwilligen Engagements.“

Noch im Frühjahr 2019 kam die IGO in ihrem Civil Society Index – Update 2019 zu einem ganz anderen Ergebnis. Damals war noch von Tendenzen, das kritische Potenzial der Zivilgesellschaft sowie ihre Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen einzuschränken die Rede. Neunteufl heute dazu: „Auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind, was die Regierung tut oder nicht tut, ist es wichtig und Zeichen einer gesunden demokratischen Verfassung, wenn die Regierung den Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft sucht und sie dort, wo sie davon betroffen ist, auch in Entscheidungen mit einbezieht.“

am 9. September 2019, von 17-19 Uhr, in der Wiener Urania, 1010 Wien.

„Gemeinnützigkeit“ und „Zivilgesellschaft“ waren bei der letzten Regierung nicht besonders hoch im Kurs: vielmehr hagelte es regelmäßig abwertende Kritik („NGO-Wahnsinn“) bis hin zu absurden Unterstellungen („Profitgier“).

Dabei ist der Wert gemeinnütziger Leistungen für die Daseinsvorsorge und den Zusammenhalt in der Gesellschaft unbestritten. Es liegt deshalb auf der Hand zu fordern, dass die Statistik Austria endlich auch die gleichen Kennzahlen über den Non-Profit Sektor erhebt und veröffentlicht, wie sie das für die Landwirtschaft, die Industrie, den Tourismus und viele andere Branchen selbstverständlich tut.

Das ist nur eine von 26  Maßnahmen, die das BÜNDNIS FÜR GEMEINNÜTZIGKEIT von der nächsten Regierung fordert, über die Ende September entschieden wird.

Rechtzeitig vor der Wahl, am 9. September 2019, von 17 – 19 Uhr, luden die AKADEMIE DER ZIVILGESELLSCHAFT und das BÜNDNIS FÜR GEMEINNÜTZIGKEIT die Parteichefs von ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS und GRÜNEN ein, ihren Mitgliedern, Unterstützer_innen und Freund_innen Rede und Antwort zu stehen. Sie wollten von ihnen wissen, welchen Stellenwert sie ehrenamtlicher und gemeinnütziger Arbeit und einer lebendigen Zivilgesellschaft einräumen werden, sollten sie der nächsten Regierung angehören.

Der Einladung folgten schließlich:

NR. Abg. Mag. Andreas HANGER (ÖVP)

NR. Abg. Mag. Muna DUZDAR (SPÖ)

Henrike BRANDSTÖTTER (NEOS)

Dr.in Ewa ERNSTDZIEDZIC (GRÜNE)

Moderiert wurde die Diskussion von dem W24 Moderator Gerhard Koller.

Im Zuge der Erstellung des CIVIL SOCIETY INDEX – UPDATE 2019 hat die IGO das Linzer Market Institut beauftragt, eine repräsentative Umfrage zu wiederholen, die 2014 das erste Mal durchgeführt wurde. Wir wollten wissen, wie die Österreicherinnen und Österreicher fünf Jahre später über gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen denken. Unsere Vermutung, dass sich die Ergebnisse deutlich von denen aus 2014 unterscheiden würden, hat sich nur zum Teil bestätigt.

Gefragt wurde wieder nach

  • dem persönlichen Wissenstand über gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen,
  • spontanen Assoziationen,
  • dem Stellenwert für unsere Gesellschaft,
  • wichtigen Wirkungsbereichen,
  • der persönlichen Wahrnehmung,
  • der vermuteten Entwicklung der Bedeutung, sowie
  • möglichen zukünftigen Unterstützungen von gemeinnützigen bzw. Nonprofit-Organisationen.

B1705_IGO NPO 2019_Grafiken

Insgesamt hat der Wissenstand über gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen nach eigener Einschätzung in den letzten fünf Jahren abgenommen: sagten 2014 noch 69 Prozent der Befragten, dass sie gut oder sehr gut über diese Organisationen Bescheid wüssten, sind es 2019 nur noch 59 Prozent. Besonders deutlich ist die Veränderung bei Personen, die nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen und bei Menschen, die auf dem Land wohnen (von 69 bzw. 73 Prozent auf 49 Prozent).

Spontan denken die Österreicher_innen unverändert bei gemeinnützigen bzw. Nonprofit-Organisationen zunächst an Begriffe wie Helfen, Hilfe leisten, usw. Anders als noch 2014 denken sie dabei aber neuerdings auch an die fehlende Gewinnorientierung, gefolgt von Freiwilligkeit, Ehrenamt und konkreten Organisationen wie Caritas, Rotes Kreuz und die Freiwillige Feuerwehr. Was es 2014 auch nicht gab, wenn auch mit 3 Prozent der Nennungen noch nicht signifikant: negative Zuschreibungen wie Schnorrer, weltfremd, unklare Finanzverhältnisse, unbedeutend.

Gefragt nach dem Stellenwert für unsere Gesellschaft, gestehen nach wie vor 8 von 10 Österreicher_innen diesen Organisationen einen hohen (24 Prozent) oder sehr hohen Stellenwert (57 Prozent) zu (2014: 25 bzw. 63 Prozent). Einen sehr hohen Stellenwert räumen gemeinnützigen bzw. Nonprofit-Organisationen insbesondere Frauen (61 Prozent), Menschen über 50 Jahren und solche mit Matura oder einem Universitätsabschluss (61 bzw. 65 Prozent) sowie Personen ein, die von sich sagen, dass sie sehr gut über diese Organisationen Bescheid wissen (71 Prozent). Auffallend ist der starke Rückgang bei jüngeren Menschen (bis 29 Jahren): in dieser Altersgruppe schätzen nur noch gut zwei Drittel (68 Prozent) den Stellenwert hoch oder sehr hoch ein (2014: 92 Prozent).

Wenig verändert hat sich bei den Wirkungsbereichen, in denen gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen als besonders wichtig gesehen werden: wie schon 2014 werden hier an erster Stelle Gesundheit und soziale Dienste sowie Familie, Kinder und Jugend genannt. 2019 hat allerdings der Bereich Menschenrechte und Integration den Bereich Umwelt und Tiere vom dritten Platz verdrängt.

Fast gleich viele Personen wie 2014 stimmen auch 2019 der Aussage zu, dass gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen einen entscheidenden Beitrag für unsere Gesellschaft leisten (90 Prozent). Auch zu anderen als positiv wahrgenommenen Leistungen ist die Zustimmung unverändert hoch. Der Aussage: „sind heute wichtiger als je zuvor“ stimmen 76 Prozent der Befragten zu (2014 nicht abgefragt). Fast jede_r zweite konstatiert aber auch, dass sie „generell in letzter Zeit an Ansehen verloren“ haben (45 Prozent) und 20 Prozent meinen sogar, sie „dienen nur dazu sich am Leid anderer zu bereichern“ (beides 2014 nicht abgefragt).

Zurück gegangen ist der Anteil der Personen, die glauben, dass gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen in den nächsten Jahren deutlich an Bedeutung gewinnen werden (45 gegenüber 54 Prozent). Nur Personen, die von sich sagen, dass sie sehr gut über diese Organisationen Bescheid wissen, sind heute mehr als vor 5 Jahren davon überzeugt, dass dies der Fall sein wird (75 gegenüber 58 Prozent).

Die Zustimmung zu verschiedenen Formen der staatlichen Unterstützung für gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen ist in der österreichischen Bevölkerung nahezu unverändert hoch: 87 Prozent sprechen sich für eine stärkere steuerliche Begünstigung aus. 83 Prozent befürworten mehr direkte Förderungen. Ebenso viele wollen aber auch, dass diese Organisationen genauer kontrolliert werden (85 Prozent).
Und jede_r zweite befürwortet, dass gemeinnützige bzw. Nonprofit-Organisationen stärker bei politischen Entscheidungen mit eingebunden werden. 18 Prozent stimmen dem allerdings „überhaupt nicht“ zu (2014 nicht abgefragt).

 

 

Fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Studie „Civil Society Index – Rapid Assessment“ hat die IGO gemeinsam mit a.o. Univ. Prof. Dr.in Ruth Simsa vom Institut für Soziologie der Wirtschaftsuniversität Wien empirisch erhoben, wie sich Klima und Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft in Österreich seither verändert haben. Im Fokus der Erhebung standen das allgemeine politische Klima in Bezug auf die Zivilgesellschaft, Demokratie und Partizipation, Grundrechte und Finanzierung. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Situation der Zivilgesellschaft seit 2014 deutlich verändert hat:

Allgemeines Klima:

In Bezug auf das allgemeine Klima lässt sich eine deutliche Polarisierung des Diskurses feststellen, Versuche der gezielten Einschüchterung, sowie eine zunehmende Delegitimierung zivilgesellschaftlicher Aktivitäten in Medien und von Seiten der Politik. Delegitimierung zivilgesellschaftlichen Handelns erfolgt durch Unterstellung von Profitinteressen, Abwertung der Arbeit, auch die Zunahme einer allgemein negativen, ausgrenzenden Rhetorik.

Die Überzeugung in der Bevölkerung, dass Nonprofit-Organisationen (NPOs) einen entscheidenden Beitrag für die Gesellschaft leisten, ist unverändert hoch. Fast jede/r zweite stimmt aber auch der Aussage zu, dass sie in letzter Zeit an Ansehen verloren haben und jede/r fünfte meint, dass sie sich selbst am Leid anderer bereichern.

Demokratie und Partizipation:

In Bezug auf Demokratie und Partizipation zeigt sich, dass CSOs deutlich weniger in Gesetzgebungsverfahren einbezogen werden. Begutachtungsfristen werden verkürzt, Initiativanträge verhindern Stellungnahmen, etc. Die Politik ist intransparenter geworden und sie kommuniziert kaum noch mit AkteurInnen der Zivilgesellschaft.

Grundrechte:

Grundrechte sind in Österreich im internationalen Vergleich gut ausgeprägt. Allerdings wurde die Versammlungsfreiheit in den letzten Jahren eingeschränkt, vor allem durch die Ausweitung der Anzeigefrist für Versammlungen, die Einrichtung von so genannten Schutzbereichen. Indirekte Auswirkung auf die Ausübung von Grundrechten haben zunehmende Bürokratisierung und mangelnde Rechtssicherheit in der Praxis.

Finanzielle Ressourcen:

Betrachtet man die Gesamtausgaben, mit denen die öffentliche Hand – zumeist über Leistungsverträge – bestimmte CSOs (mit)finanziert, dann hat sich nicht viel verändert. Eine detaillierte Betrachtung zeigt allerdings, dass es Veränderungen der Finanzierung gibt, die offensichtlich kritische und an Diversität orientierte CSOs betreffen. Vor allem in den Bereichen Migration, Kunst, Frauen-, Arbeitsmarkt- und Entwicklungspolitik haben diese CSOs zum Teil existenzbedrohende Einschränkungen der öffentlichen Finanzierung erfahren.

Bei der Transparenz der Mittelvergabe und im Vergaberecht kam es zuletzt zu einigen Verbesserungen, es bestehen aber noch Mängel bzw. Unsicherheiten bei der praktischen Anwendung. Verbesserungen gab es auch beim gemeinnützigen Stiftungsrecht, das Steuerrecht wurde dadurch aber noch einmal deutlich komplexer. Vorschläge von Beamten im Finanzministerium, CSO-VertreterInnen und Steuerexperten zu dessen Vereinfachung, Entbürokratisierung und Schaffung größerer Rechtssicherheit wurden von der neuen Regierung bisher nicht aufgegriffen.

Schlussfolgerungen:

Die Veränderungen ergeben in ihrer Gesamtheit ein klares Muster: Sie entsprechen den aus der Literatur bekannten Prozessen der Entwicklung autoritärer Regierungen. Österreich ist zwar eine grundsätzlich liberale Demokratie mit gut ausgeprägten Grundrechten, es gibt aber klar beobachtbare Tendenzen, das kritische Potenzial der Zivilgesellschaft sowie ihre Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen einzuschränken.

Politisch motivierte Finanzierungsentscheidungen hat es immer gegeben, ebenso unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf erwünschte Partizipation sowie inhaltliche Konflikte zwischen Politik und Zivilgesellschaft. Die Politik des systematischen Zurückdrängens von Widerspruch, Protest und Vielfalt durch unterschiedlichste, ineinandergreifende Maßnahmen, widerspricht allerdings der österreichischen Tradition. Sie ist Ausdruck einer zunehmend autoritären, rechtspopulistischen Politik.

Die Demokratie in Österreich ist zwar nicht in einer Krise, sie funktioniert grundsätzlich gut, ist aber in ihrer Qualität bedroht. Es gilt, sie zu schützen. Einen wichtigen Beitrag dafür leistet die Zivilgesellschaft mit ihren vielfältigen Funktionen, von Hilfe bis Kritik. Dafür braucht es auch die Bewahrung geeigneter Rahmenbedingungen.

Civil Society Index 2019

In unserem Shop können Sie den Bericht zum Preis von 25 € (Broschüre) bzw. 10 € (PDF) erwerben.

Das globale Netzwerk CIVICUS stellt Österreich für seinen Umgang mit den Grund- und Freiheitsrechten und der Zivilgesellschaft ein schlechtes Zeugnis aus.

CIVICUS, ein globales Netzwerk mit mehr als 4000 Mitgliedern in über 175 Ländern, dokumentiert mit seinem CIVICUS Monitor auf der Grundlage umfangreicher, weitgehend selbst erhobener Daten weltweit die Gefahren für die Entwicklung der Zivilgesellschaft. Die laufend aktualisierten Analysen fließen in Indexwerten für jedes Land zusammen, die CIVICUS in fünf Gruppen unterteilt: offen, eingeengt, beschränkt, unterdrückt, geschlossen. Österreich wurde jetzt von “offen” auf “eingeengt” herabgestuft und findet sich damit in einer Gruppe mit Bulgarien, Polen, Rumänien und vielen anderen ost- und südosteuropäischen Ländern wieder.

CIVICUS begründet die Entscheidung mit Beschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte und Angriffen auf die Presse- und Meinungsfreiheit durch die Regierung. Konkret verweist CIVICUS auf die Verlängerung der Frist zur Anmeldung von Versammlungen von 24 auf 48 Stunden – ein Umstand, den auch die österreichischen Rechtsanwälte kürzlich kritisiert haben. Auch die Tatsache, dass sich die neue Regierung einem strukturierten Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft verweigert und Bundeskanzler Sebastian Kurz stattdessen wiederholt abfällige Bemerkungen über Nichtregierungsorganisationen macht, hat sich bis nach Johannesburg, wo CIVICUS seine Zentrale hat, herumgesprochen.

Franz Neunteufl von der IGO, der Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen, kann die Entscheidung von CIVICUS nachvollziehen: “Unsere Kolleg_innen berichten übereinstimmend davon, dass sich das Gesprächsklima mit der Regierung deutlich verschlechtert hat: Schreiben und Terminanfragen bleiben unbeantwortet oder haben, wenn sie beantwortet werden, keinerlei Konsequenzen”. Auch von Einschüchterungsversuchen am Telefon wird berichtet, so Neunteufl weiter, in einem Ausmaß, wie es das früher nicht gegeben hat: “Viele gemeinnützige Vereine und soziale Unternehmen können ihre wichtigen Leistungen nicht ohne Förderungen und Aufträge der öffentlichen Hand erfüllen. Deshalb wagen sie es jetzt noch weniger als früher, ihre Kritik öffentlich zu äußern.” Dass es, seit die neue Regierung im Amt ist, bei vielen gemeinnützigen Vereinen und sozialen Dienstleistern zu drastischen Kürzungen kam, beweist, dass ihre Sorge nicht unbegründet ist.

Gemeinsam mit CIVICUS und dem Kompetenzzentrum für Nonprofit-Organisationen an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien hat die IGO 2014 erstmals in ihrem “Zivilgesellschaftsindex” die Rahmenbedingungen für die österreichische Zivilgesellschaft wissenschaftlich untersucht. Die Autor_innen kamen damals noch zu einem anderen Ergebnis. Univ. Prof.in Dr.in Ruth Simsa von der WU, die an dem Bericht mitgearbeitet hat: “Vor fünf Jahren gab es aus der Sicht der Befragten die eine oder andere Wolke am Himmel, aber heute sprechen sie von einer dichten Wolkendecke und Schlechtwetter.” Um dieses unter den zivilgesellschaftlichen Organisationen weit verbreitete Unbehagen mit Fakten zu belegen, arbeitet die IGO aktuell gemeinsam mit Ruth Simsa und ihren Mitarbeiter_innen und Student_innen an einer Neuauflage des Berichts, der im Frühjahr 2019 erscheinen wird.

Bürger_innenbeteiligung hat ein Jahr nach der Nationalratswahl 2017 für die Regierung keine Priorität mehr. Im Gegenteil, unsere bisherige Arbeit zum Update Zivilgesellschaftsindex zeigt deutlich, dass die Möglichkeit zur Öffentlichkeitsbeteiligung am Gesetzwerdungsprozess stark abnimmt. Auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag äußerte sich unlängst zur abnehmenden Qualität von Gesetzen aufgrund fehlender oder mangelhafter Öffentlichkeitsbeteiligung sehr kritisch.

An anderen Stellen der Republik – wie beispielsweise im Österreichischen Parlament – wird jedoch daran gearbeitet, Bürger_innen Beteiligungsprozesse zu erleichtern. Die Parlamentsdirektion setzte 2017 das so genannte „erweiterte Begutachtungsverfahren“ um. Seither ist es möglich direkt auf der Parlamentswebsite Stellungnahmen abzugeben oder bereits eingelangte Stellungnahmen niederschwellig mit einem Klick zu unterstützen.

Neu ist das Vorhaben, Bürger_innen mittels Crowdsourcing zu konkreten Themen zu konsultieren. Ein Ende Oktober gestartetes Pilotprojekt zur Neugestaltung des Besucherzentrums des Parlaments, soll als Vorbild und Beispiel für künftige Projekte dienen. Die Parlamentsdirektion will in Zukunft auch anderen Einrichtungen, wie Ministerien, die Möglichkeit anbieten, die Crowdsourcing-Plattform zu nützen. Die Konsultation wurde Ende November abgeschlossen, aber wer sich dafür interessiert, kann den weiteren Prozessverlauf auf https://crowdsourcing.parlament.gv.at/ verfolgen und die Antworten und Ergebnisse einsehen.