ZIVILGESELLSCHAFT IM DIALOG 2017
Demokratie 4.0 – Kommt die Rettung aus der Zivilgesellschaft?
Rund 100 Personen aus der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft diskutierten am 21.09.2017 in der Wiener Urania über die Zukunft der Demokratie und die Rolle der Digitalisierung und der Zivilgesellschaft. Hier die wichtigsten Ergebnisse des Dialogs, zu dem die IGO gemeinsam mit der Akademie der Zivilgesellschaft geladen hatte:
Kritik an mangelnder Beteiligung in der Gesetzgebung
In Österreich kommen Gesetzesvorschläge fast ausschließlich aus den Ministerien. Wenn aber einmal ein Ministerialentwurf für ein Gesetz vorliegt, sind Änderungen de facto kaum noch möglich. Christoph Konrath, Leiter des parlamentswissenschaftlichen Dienstes in der Parlamentsdirektion: „In Österreich hat man Angst, dass etwas in Frage gestellt wird, woran Beamte schon so lange gearbeitet haben.“
Dazu passt, dass es kaum ein anderes Parlament gibt, in dem so wenig über Gesetzesentwürfe diskutiert wird: selbst bei umfangreichen Regierungsvorlagen sind es durchschnittlich nur 20 Minuten im Plenum. Durchschnittlich finden in Österreich auch nur 2-4 Ausschusssitzungen pro Jahr statt.
Woanders beginnen Beratungen schon viel früher und sind besser strukturiert, da ist auch Beteiligung früher und besser möglich. Christoph Konrath: „In Irland wurde das gesamte vorparlamentarische Verfahren ins Parlament verlegt, beginnend mit Strategiepapieren. Ausschüsse bestimmen, wen sie einladen, nicht die Parteien. In Kroatien wurde eine Stelle eingerichtet, die den Menschen die Angst vor Beteiligung nehmen soll.“
Die Teilnehmer/innen haben unterschiedliche Erfahrungen mit der Einbindung und Beteiligung der Zivilgesellschaft im Parlament gemacht. Petra Bayr, Abgeordnete der SPÖ zum Nationalrat: „Bei Sitzungen des entwicklungspolitischen Unterausschusses sind fast immer NGO-Vertreter/innen dabei.“
Alev Korun, Abgeordnete der Grünen, weiß dagegen, dass die Mitglieder des Menschenrechtsausschusses kämpfen müssen, damit Sitzungen überhaupt stattfinden und kritisiert die oft mangelnde Vorbereitung von Abgeordneten auf Ausschusssitzungen. Sie fordert die Einrichtung eines Legislativdiensts, der die Parlamentarier/innen – so wie in Deutschland – in die Lage versetzt, selbst Gesetzesvorschläge zu machen.
Auch Andreas Kovar, der die Parlamentsarbeit aus eigener Anschauung kennt, sieht sie differenzierter: „Durch die Einführung der ‚Spiegelminister‘ hat sich die Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament zu ungunsten des Parlaments verschlechtert. Die Entschließung im Mai (Anm.: über das so genannte ‚kleine Demokratiepaket‘) ist aber ein positiver Schritt. “
Kovar ist überzeugt: „Den Akteur/innen ist oft nicht bewusst, welche Möglichkeiten sie haben. Parlamentarier/innen könnten zum Beispiel Entschließungen schreiben. In Deutschland beschreiben Entschließungen schon, wie ein fertiges Gesetz aussehen soll. Die Möglichkeit der Ausschussbegutachtung wird kaum genutzt. Klubs könnten Online Konsultationen durchführen.“ Er kritisiert aber auch die NGOs, die sich zu spät oder gar nicht an der Begutachtung beteiligen.
Franz Wolfmayr, vom Europäischen Dachverband der Dienstleister für Menschen mit Behinderung, nennt als Beispiel für gelungene Beteiligung das jüngst verabschiedete Erwachsenenschutzgesetz: „Alle Mitgliedstaaten haben sich dazu verpflichtet, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen. Beim Erwachsenenschutzgesetz ist das gut gelungen. Aber was bedeutet das für andere Ministerien, für die Länder und Regionen?“
Günther Lutschinger, vom Fundraising Verband Austria, kritisiert das Eilzugstempo, mit dem in Österreich Petitionen abgearbeitet werden – 116 waren es heuer bisher. Er fordert Instrumente, mit denen Petitionen sinnvoll behandelt werden können. Und eigentlich, meint er, brauche es ein Petititionsrecht an die Bundesregierung.
Einbindung der Zivilgesellschaft bringt bessere Lösungen und erhöht die Akzeptanz
Gabriele Gerbasits, Geschäftsführerin der IG Kultur, nennt als jüngste Negativbeispiele die Novellen des Tierschutzgesetzes und der Spendenabsetzbarkeit für Kulturvereine, wo die Stellungnahmen von NGOs ignoriert wurden. Auch beim Gemeinde- und Städtebund ist das Thema Beteiligung offensichtlich noch nicht angekommen, jedenfalls hat eine Recherche auf deren Webseiten dazu nichts ergeben. Eine gute Zusammenarbeit gibt es aber mit den Kulturreferentinnen in den Landesregierungen, zum Beispiel in Salzburg.
Gemeinnützige Organisationen wie die ihre beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit den jeweiligen Inhalten und sammeln Wissen darüber: „Die Parlamente, Landtage und Gemeinderäte setzen sich alle paar Jahre neu zusammen und erleiden dadurch einen hohen Kompetenzverlust. Sie wären gut beraten, sich an uns zu wenden und dieses Wissen abzuholen.“
Positives kann Josef Hörmandinger, Jurist im Rechts- und Informationsdienst des Salzburger Landtages über seine Erfahrung mit Bürgerräten in Salzburg berichten. Seiner Meinung nach sind die Abgeordneten besser, als ihr Ruf und durchaus interessiert, ihre Arbeitsweise zu verändern: „Die Abgeordneten waren dann so begeistert von dieser Art des Fragenstellens und des Miteinanderredens, dass sie gesagt haben, wir möchten in Zukunft die gesamte Enquete-Kommission, egal mit welchem Thema sie sich beschäftigt, in diesem Format – Dynamic Facilitation – moderiert haben.“
Christoph Konrath glaubt den Grund dafür zu kennen: „In weltweit durchgeführten Studie wird oft als eine Herausforderung genannt, dass man als Politiker und Politikerin nicht mehr so leicht begründen kann, warum man sich in Kompetenzen und Wissen von jenen unterscheidet, die man vertreten soll. Für sie stellt sich dann die Frage: wie gehe ich damit um, dass andere mehr Wissen und mehr Erfahrung haben, als ich. Und was heißt das dann für eine Institution?“
Transparenz als Gebot der Zeit, aber es braucht auch Rückzugsräume
Die Forderung nach mehr Transparenz im Parlament ist für Josef Hörmandinger verständlich, birgt aber das Risiko in sich, dass es zu einer „Flucht aus den Verfassungsinstitutionen“ – wie er das nennt -, kommt. Soll heißen, die Abgeordneten gehen dann eben woanders hin. Die Politik braucht auch Rückzugsräume. Die Forderung, die einmal von einer Partei in Deutschland erhoben wurde, dass „jede Unterhaltung zwischen mehr als zwei Abgeordneten live-gestreamed werden muss“ geht zu weit. Aber dort, wo Sach- und Machtentscheidungen fallen, muss es Transparenz geben.
Hörmandinger hat auch festgestellt, dass es Expert/innen – meist kommen sie aus dem unversitären Bereich – mit neutraler Sicht auf die Probleme gibt, während andere ihre eigenen Interessen vertreten. Wenn wir die Zivilgesellschaft stärker einbinden wollen, muss öffentlich gemacht werden, „wer gerade welchen Hut auf hat„.
Sein Kollege aus der Parlamentsdirektion in Wien widerspricht der Behauptung, das österreichische Parlament sei besonders intransparent: „Wenige Parlamente in Europa dokumentieren und veröffentlichen die Protokolle von Ausschusssitzungen so wie in Österreich. Es gibt aber auch wenige Menschen, die sich dafür interessieren und die zu den Ausschüssen kommen.“ Er gibt zu, dass das auch mit den Zeiten zu tun hat, an denen diese Sitzungen stattfinden. Deshalb wird man in Österreich demnächst, zumindest für die Plenarsitzungen, Video-on-demand zur Verfügung stellen.
Frau Erler, wie haben Sie das in Baden-Württemberg gemacht?
Gisela Erler, seit 2011 Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, verdankt ihr Amt nach eigenen Worten dem damaligen Widerstand großer Teile der Bevölkerung gegen den geplanten Neubau des Hauptbahnhofs in Stuttgart (Stuttgart 21). Der neugewählte Ministerpräsident Winfried Kretschmann machte damals von der Möglichkeit Gebrauch, eine Person in die Regierung zu berufen und mit einer speziellen Aufgabe zu betrauen, die nicht aus einer Partei oder aus dem Parlament kommt. Sie ist aber mit Stimmrecht ausgestattet und vollwertiges Kabinettsmitglied.
Dem vor kurzem verstorbenen Heiner Geissler gelang es damals in einem Bürgerbeteiligungsverfahren den „vor-bürgerkriegsähnlichen Zustand“ zu beenden und eine Entscheidung zugunsten des Projekts herbeizuführen. Von da an wurden Bürgerinnen und Bürger regelmäßig an großen Infrastrukturprojekten beteiligt. Allmählich hat sich die Methode dann auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen durchgesetzt. Heute sind alle Beamten in Baden-Württemberg durch eine Verwaltungsvorschrift verpflichtet bei ihren Projekten „früh“, „verbindlich“ und „flexibel“ Beteiligung zu ermöglichen. Das heißt, sie müssen Bürgerinnen und Bürger bereits in der Phase der Gedankenfindung einbeziehen, darüber auch Rechenschaft ablegen und dürfen keine Standardformate verwenden.
NGOs erheben oft den Vorwurf, es handle sich dabei um Pseudo-Beteiligung, aber Gisela Erler ist davon überzeugt, dass es notwendig ist, bei Projekten, bei denen es Widerstände gibt, das Spektrum an unterschiedlichen Meinungen sichtbar zu machen: „Meist geht es ja um das „WIE“ und nicht um das „OB“, das oft nicht verhandelbar ist„.
Auch einige Kollegen in der Regierung leisteten am Anfang Widerstand, weigerten sich, mit Gisela Erler zu reden. Heute ist im Kabinett ein Grundverständnis über Bürgerbeteiligung und Partizipation hergestellt und die Staatsrätin koordiniert die Bürgerbeteiligung in den Ministerien. Der Landwirtschaftsminister, der früher die Errichtung eines Nationalparks bekämpft hat, ist jetzt ein Kollege und organisiert heute „ganz fröhlich“ Bürgerbeteiligungsverfahren zur Waldnutzung und versucht einen Interessenausgleich zwischen Waldbesitzern, Mountain-Bikern, Reitern, usw. herzustellen.
Natürlich beginnt es auf der kommunalen Ebene, wo es häufig um Nutzungskonflikte zu Räumen geht. Manchmal braucht es einen „guten Konflikt„, um allen die Sinnhaftigkeit von Beteiligung klar zu machen. Wenn es dann aber zu “Meinungsstürmen” kommt, braucht es auch wieder Rückzugsräume für die Beteiligten. In einem frühen Stadium, in dem noch über Lösungen nachgedacht wird, darf auf Entwürfe nicht sofort mit öffentlichen Kampagnen reagiert werden. Die Bürgerbeteiligung hat sich hier über die Jahre als vertrauensbildendes Instrument etabliert.
Auch die Flüchtlingsarbeit hat dazu beigetragen, die Akzeptanz zu erhöhen: 2015 haben sich „in jedem hintersten Schwarzwalddorf“ spontan Flüchtlingsvereine gebildet. Die Bürgermeister waren anfangs skeptisch, wurden aber „gezogen“ von den Kirchen und den freiwilligen Flüchtlingshelfern. Die Staatsrätin hat sie methodisch unterstützt mit Fortbildung und Informationsmaterial für die neu angekommenen Mitbürger/innen. Auch heute noch koordiniert Gisela Erler die Aktivitäten punkto Flüchtlinge und Willkommenskultur, unter Beteiligung der Wirtschaft, zusammen mit CDU, dem Staat, den Kommunen und der freien und organisierten Zivilgesellschaft.
Gisela Erler: „Die Bürger in Deutschland wollen Partizipation, sie wollen wählen und sie wollen auch Volksabstimmungen.“ In Deutschland gibt es keine nationalen Volksabstimmungen und Erler findet das ist gut so. Denn: „In bestimmten Fragen ist unsere Bevölkerung nicht einer Meinung. Deshalb kann man auch nicht immer nach der Mehrheit gehen. 30, 20 oder auch nur 5 Prozent sind relevante Minderheiten.“
Das Thema Bürgerbeteiligung ist inzwischen verankert in der Grundausbildung der Beamten und in allen Weiterbildungen. Nächstes Jahr wird es in Baden-Württemberg eine School of Governance geben, die gemeinsam mit der Wirtschaft betrieben wird und in der junge Manager, Verwaltungsbeamte und Zivilgesellschaft gleichberechtigt miteinander lernen.
Jedes Jahr gibt es einen Wettbewerb, an dem über 300 Kommunen teilnehmen und ihre Projekte miteinander vergleichen. Die besten werden bei einer großen Veranstaltung ausgezeichnet und anschließend im Staatsanzeiger präsentiert. Gisela Erler: „Das lesen alle, wegen der Stellenanzeigen, und da ist der Sickereffekt sehr groß„.
Und was sagen unsere beiden Minister dazu?
Thomas Drozda, seit Mai 2016 Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, zieht eine Parallele zwischen Zivilgesellschaft und Kunst, Mitgliedern der Zivilgesellschaft und Künstlern: beide haben viel mit Avantgarde zu tun und verfügen über ein besonderes Sensorium. Die Politik sei gut beraten, auf beide offen zuzugehen und ihnen zuzuhören.
Er hat gute Erfahrungen mit dem Menschenrechtsbeirat und der Zusammenarbeit mit Betroffenen zum Beispiel bei den Themen Open Data und Menschen mit Behinderungen gemacht. Dazu braucht es allerdings ein System, das staatliche Systeme durchlässig macht, um den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu erleichtern. Der Grundspirit muss Offenheit sein, wie das im Bereich Kunst und Kultur üblich ist.
NGOs haben nicht nur einen hohen Organisationsgrad, sondern auch eine hohe Glaubwürdigkeit und eine hohe Artikulationsfähigkeit: „Wenn man ein Gentechnikgesetz ausarbeitet, wird man schwer ohne diese Expertise auskommen und wird genau hinhören, was von den NGOs dazu kommt.“
Sein Amtskollege Harald Mahrer, ab 2014 Staatssekretär und seit Mai 2017 Minister im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, sieht das ähnlich, schränkt aber zugleich ein: die Zivilgesellschaft sind nicht nur die NGOs. Aber natürlich braucht einen starken organisierten gemeinnützigen Sektor.
Er spricht sich für so viel Einbindung wie möglich bei allen großen Projekten aus und sieht das jedenfalls in seinem Ressort auch schon weitgehend verwirklicht, wenn vielleicht auch noch nicht so strukturiert, wie in Baden-Württemberg. Anfangs noch skeptisch, lieben seine Beamten inzwischen die Herangehensweise – Stichwort: offene Innovation – und mehrere wichtige Strategien wurden in den letzten Jahren auf diese Art entwickelt.
Mahrer macht aber auch klar: am Ende des Tages muss jemand priorisieren und entscheiden und dafür gibt es unterschiedliche Verantwortlichkeiten – auch wenn es immer jemanden gibt, der mit dem Ergebnis unzufrieden ist.
Die Digitalisierung bietet ein gigantisches Potenzial wenn es um die Dreigliederung Information – Austausch – Wahlen geht. Wir sind aber gut beraten, zentrale Elemente der repräsentativen Demokratie zu behalten und den Diskurs nicht zur Gänze in die Technologie auszulagern. Es braucht auch weiterhin das Einander-in-die-Augen-schauen, ein zähes Verhandeln, eine Güterabwägung und den Interessenausgleich.
Mahrer kann sich gut vorstellen, dass in der nächsten Legislaturperiode die Prozesse stärker formalisiert werden. Er glaubt nicht, dass es dazu ein eigenes Staatssekretariat braucht, aber es sollte irgendwo – ähnlich wie in Baden-Württemberg – eine Koordination geben, wo alle Fäden zusammenlaufen, wo die Verbindung zur Forschung und zu den Institutionen sichergestellt ist.
Thomas Drozda teilt die Einschätzung seines Regierungskollegen, was die Rolle der Digitalisierung angeht. Er ist auch der Meinung, man solle darüber nachdenken, ob eine Funktion wie die von Frau Erler auf Ebene der Regierung sinnvoll ist. Andererseits sind die Anforderungen in den einzelnen Ressorts sehr spezifisch, was eher dafür spricht, diese Aufgabe dezentral in den Ministerien anzusiedeln. Es muss sichergestellt sein, dass der Grad der Beteiligung nicht vom Führungsstil des jeweiligen Ministers abhängt, sondern klar ist: wie wollen wir das als Regierung haben. Vorarlberg dient hier für Drozda als Benchmark, „weil wir diese Inputs brauchen„.
Was es auch braucht, ist ein modernes Informationsfreiheitsgesetz. Wir haben in Österreich noch immer das Amtsgeheimnis. Es abzuschaffen, bedeutet einen Kulturbruch und setzt eine aufgeklärtere Medienlandschaft voraus, die nicht – so wie in Österreich – „zum Hyperventilieren neigt„.
Harald Mahrer stimmt ihm da zu. Er spricht sich dafür aus, den Bürgern mit einer Art One-Stop-Shop Lösung sehr transparent alle Partizipationsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen: was geht wo ab, wo wird denn überall nachgedacht, wie kann ich mich beteiligen, wo geht es tatsächlich in einen formalisierten Begutachtungs- und Gesetzgebungsprozess über. Seiner Meinung nach wäre das leicht umzusetzen.
Das Nachdenken beginnt allerdings schon sehr viel früher: 80 -90 % aller Gesetzesvorhaben sind das Ergebnis von Beschlüssen auf EU-Ebene, die nationalstaatlich umzusetzen sind, oder sie sind das Ergebnis eines Arbeitsübereinkommens der Regierung, das gemäß eines Zeitplans abzuarbeiten ist. Dann gibt es noch ad-hoc Entwicklungen, neue Technologien, Dinge funktionieren nicht so, wie man gedacht hat, unterschiedliche Interessengruppen treten an die Regierung mit einem Anliegen heran und meinen, da gehört etwas optimiert. Das sind dann die verbleibenden 10 – 20 %.
Also: breiter informieren, welche Begutachtungen finden wo statt, bis auf die Kommunalebene, auf einem einzigen Portal. Transparenz erhöht die Beteiligungsqualität. Heißt aber auch Arbeit. Die öffentliche Hand muss ernsthaft und wertschätzend damit umgehen. Das heißt nicht, dass jede Erwartungshaltung erfüllt wird.
Digitalisierung kann Austausch „von Mensch zu Mensch“ nicht ersetzen
Im Lauf der Veranstaltung wird klar:
- Wir stehen in Österreich, so wie in weiten Teilen Europas, erst am Anfang, wenn es um die strukturierte und verbindliche Öffentlichkeitsbeteiligung und die Einbindung der Zivilgesellschaft in Entscheidungen geht. Das gilt für alle Gebietskörperschaften, wenn es auch in einzelnen Gemeinden, Städten und Bundesländern und in Einzelfällen im Bund Beispiele für ernsthaftes Bemühen um mehr Beteiligung gibt.
- Moderne Parlamentarier, Regierungsmitglieder und Verwaltungsbeamte sind offen für mehr Beteiligung und bereit zuzuhören. Die Rückmeldungen sind aber oft nicht ausreichend. Die Menschen, die sich beteiligen, wollen wissen, was passiert mit ihrem Beitrag – auch wenn das Ergebnis oft nicht das erhoffte ist. Gisela Erler: „Eigentlich ist es trivial: man muss begründen, warum man etwas nicht tut oder nicht kann.„
- Unterschiedliche Meinungen müssen ausgehalten und akzeptiert werden. Dazu braucht es die persönliche Auseinandersetzung von Menschen, die sich im selben Raum befinden, die sich dabei in die Augen sehen. Neben dem enormen Potenzial, das die Digitalisierung bietet, wenn es um den Austausch von Informationen geht, braucht es auch weiterhin den persönlichen Dialog, das Verhandeln, das Abwägen auf allen Ebenen und die Entscheidungen von Menschen, die bereit sind für ihre Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen.
- Die beiden teilnehmenden Minister sind sich darüber einig, dass Digitalisierung und Öffentlichkeitsbeteiligung große Potenziale für den öffentlichen Sektor darstellen. Wichtig ist eine konkrete Verankerung der Aktivitäten in der Bundesregierung – nicht notwendigerweise in Form eines Staatssekretariats wie in Baden-Württemberg, aber es braucht eine ähnliche koordinierende Funktion, wo alle Fäden zusammenlaufen.
- Kommt die Rettung nun aus der Zivilgesellschaft oder nicht? Sollte die Demokratie eines Tages auch in Österreich gerettet werden müssen – woher soll sie denn kommen, die Rettung, wenn nicht aus der Zivilgesellschaft?
Aufzeichnung des 1. Teils der Veranstaltung mit:
Gabriele Gerbasits (IG Kultur), Josef Hörmandinger (Landtagsdirektion Salzburg) und Christoph Konrath (Parlamentsdirektion Wien).
Moderation:
Romy Grasgruber-Kerl.
Einführung:
Franz Neunteufl (IGO) und Brigitte Pabst (Akademie der Zivilgesellschaft).
Aufzeichnung des 2. Teils der Veranstaltung mit:
Gisela Erler (Staatsministerium Baden-Württemberg), Thomas Drozda (Bundeskanzleramt) und Harald Mahrer (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft).
Moderation:
Franz Neunteufl (IGO)
Anmerkung: Es war den Veranstaltern wichtig, eine größere Zahl von Menschen mittels Live-Stream an der Diskussion teilhaben zu lassen. Leider kam es dadurch zeitweise zu einer Tonstörung. Wir bitten dies zu entschuldigen.